25.01.2022: Kunst und Klassenkampf
„Kunst um der Kunst Willen“ – diese Annahme, Kunst entstehe
unabhängig von äußeren Einflüssen, quasi separiert von der
Gesellschaft und dem Leben der Menschen, ist weit verbreitet. Doch
nichts könnte unwahrer sein als das. Abgesehen davon, dass der
Mensch stetig von gesellschaftlichen Umständen geformt wird und sich
sein Bewusstsein, seine Einstellungen und seine Vorlieben so erst
herausbilden, wird auch die wichtige Rolle, die die Kunst in der
Politik spielt und in der Vergangenheit gespielt hat, ignoriert und
schlecht geredet.
Vereinfacht gesagt lässt sich die Kunst als eine Art Spiegelbild
historischer Ereignisse ansehen. Selbstverständlich gilt das nicht
für jedes einzelne künstlerische Werk, doch können anhand der
Epochen der Kunstgeschichte die gesellschaftlichen und politischen
Veränderungen leicht nachvollzogen werden. Ob Revolution,
technischer Fortschritt oder wissenschaftliche Erkenntnisse – die
Kunst lässt sich nicht getrennt von diesen Umwälzungen betrachten.
Und schon immer fungiert Kunst als Mittel zur politischen
Meinungsbildung und Mobilisierung. Gerade für außerparlamentarische
Organisationen und Jugendgruppen ist es deutlich schwieriger,
kostspielige Werbekampagnen zu starten, größere Veranstaltungen zu
organisieren und so eine große Gruppe an Leuten zu erreichen als für
bürgerliche Parteien mit staatlicher Unterstützung und breiter
Bekanntheit. Dazu kommen Repressionen, denen antifaschistische und
antikapitalistische Organisationen in bürgerlichen Staaten häufig
ausgesetzt sind.
Doch ihre Standpunkte in die Öffentlichkeit zu tragen, auf sich
aufmerksam zu machen und Arbeiter*innen und proletarische
Jugendliche für ihre Seite zu gewinnen sind genau die Ziele
revolutionärer Gruppen. Eine Möglichkeit ist die Straßenkunst. Seit
ihrer Entstehung ist sie ein Ausdrucksmittel der revoltierenden
Arbeiter*innenklasse: Ihr Zweck war schon immer kein in erster Linie
ästhetischer und erst recht kein kommerzieller, sondern ein
politischer. Und sie ist eine Form der Kunst, die nur schwierig
unterbunden und verhindert werden kann. So greifen politische
Gruppen auf Streetart zurück – und verschönern gleichzeitig auch die
Städte.